Von Linda Barwick
Im Original:
About the Didgeridoo
Women Playing
Übersetzung aus dem Englischen: Detlev Müller
Literatur:
The Didjeridu: From Arnhemland to Internet
Perfect Beat Publications, Karl Neuenfeldt
Im Original stand hier fälschlicherweise:
The Didgeridoo, From Arnhem Land to Internet
Perfect Beat Publications / Karl Keuenfeldt
Ziel dieses Artikels ist, Missverständnisse bezüglich der Rolle des Didgeridoos in der traditionellen Aboriginal-Kultur auszuräumen. Speziell geht es um die populäre Annahme, Frauen sei es verboten, ein Didgeridoo zu spielen oder auch nur zu berühren.
Es ist zwar richtig, dass in den traditionell vom Didgeridoo begleiteten Musikstilen Nord-Australiens (z.B. Wangga und Bunggurl) Frauen nicht während öffentlicher Zeremonien spielen. Andererseits scheint es nur wenig Restriktionen zu geben gegenüber Frauen, die "formlos" für sich spielen. Die Gegend mit den stärksten Restriktionen gegenüber didgeridoospielenden Frauen scheint der Südosten Australiens zu sein. Hier wurde das Didgeridoo erst vor relativ kurzer Zeit eingeführt. (Anm. des Übersetzers: Dies passt durchaus zu den Aussagen Michael Andersons während des Australien2000-Events in Bonn) Ich glaube, dass dieses "Tabu" eher etwas zu tun hat mit kommerziellen Aspekten des New Age-Marketings.
Mein Verständnis der Kultur der australischen Ureinwohner rührt aus meiner Arbeit als Ethnomusik-Wissenschaftlerin, aus ethnomusikalischen und anthropologischen Veröffentlichungen und nicht zuletzt aus Seminaren und praktischer Arbeit vor Ort in zahlreichen Communities in Süd-Australien, im Northern Territory und in New South Wales.
Es ist richtig, dass Frauen niemals während öffentlicher Zeremonien Didgeridoo spielten. Lassen Sie uns jedoch einen Blick werfen auf Beweise dafür, dass Frauen durchaus "für den Hausgebrauch" Didgeridoo spielen. In Diskussionen mit Frauen im Jahre 1995 in der Belyuen Community in der Nähe von Darwin erzählte man mir, dass es nicht verboten sei, dass Frauen Didgeridoo spielen. Tatsächlich erwähnten einige der älteren Frauen eine Frau in der Gegend um Daly River, die regelmäßig Didgeridoo spielte.
In einer anderen Diskussion mit Männern aus Groote Eylandt, Numbulwar und Gunbalanya wurde bestätigt, dass es kein Traumzeit-Gesetz gäbe, das Frauen das didgeridoospielen verböte. Vielmehr wüssten die Frauen nicht, wie man es spielt. Aus Yirrkala gibt es Berichte, dass kleine Kinder, und zwar sowohl Mädchen als auch Jungen, auf Spielzeug-Instrumenten spielen, dass allerdings die Mädchen mit der Zeit aufhörten, öffentlich zu spielen. Ausserdem heißt es, dass Frauen, die mit der Herstellung von für den Verkauf an Touristen bestimmten Didgeridoos beschäftigt seien, diese Instrumente spielen, um die Gebrauchsfähigkeit zu testen. Berichte über didgeridoospielende Frauen sind weiters nicht ungewöhnlich aus den Kimberlys und der Gulf Region, den westlichsten und östlichsten Grenzen der Verbreitung des Didgeridoos in der traditionellen Musik der Ureinwohner. Erst in diesem Jahrhundert (Anm. D. Übersetzers: die Rede ist vom 20. Jhdt.) begann man in diesen Regionen, das Didgeridoo als Begleitinstrument in der traditionellen Musik zu spielen, in Stücken, die ursprünglich aus Arnhem Land (Bunggurl) oder der Daly Region (Wangga, Lirrga und Gunborrg) stammten. (Anm. des Übersetzers: Dies hat wohl zu tun mit der Vertreibung der Ureinwohner aus den genannten Gebieten.)
Die widersprüchliche Diskussion über didgeridoospielende Frauen und Nicht-Aboriginals hat auch die Aufmerksamkeit auf die internationale Verwertung und Adaption traditioneller Musik und anderen kulturellen Eigentums der Ureinwohner gelenkt. Außerdem lenkte diese Debatte die internationale Aufmerksamkeit auf die Tatsache, dass es verschiedene Ebenen heiliger und geheimer Traditionen gibt, deren Kenntnis und Erlaubnis zur Durchführung vielfach geschlechtsabhängig ist. Vielleicht ist das Didgeridoo an dieser Stelle ja nur eine Art Platzhalter für andere, wirklich heilige und geheime Dinge in den verschiedenen Zeremonien der Ureinwohner, die anders nicht öffentlich benannt werden können oder dürfen. So gesehen passt die Spiritualisierung des Didgeridoos nicht nur zum kommerziellen New Age, sondern ist wohl auch eine Warnung an alle Nicht-Aboriginals, ihre Nase nicht zu tief in die heiligen und geheimen Angelegenheiten der australischen Ureinwohner zu stecken.